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Die Kirchenbank – Portrait einer (un)verrückbaren

Die Kirchenbank – mal lang, mal kurz, mal weiß mal braun. Mal verziert mit geschnitzten Ornamenten, mal glatt und unscheinbar. In der Regel ist sie schmucklos – es sei denn, es wird gefeiert. Sie ist massiv und geht selten zu Bruch, da auch Schwergewichte ihr Holz nicht durchsitzen können. Seit Jahrhunderten steht sie unbeweglich da, wartet, dass Sonntags jemand zu Besuch kommt und auf ihr Platz nimmt. Sie kennt in der Regel nur das Innen und den geregelten Ablauf der Gottesdienste. Man sitzt auf ihr oder steht vor ihr nach einem festgelegten Ritus und empfängt das Wort von vorne. Für größere Veranstaltungen außerhalb der Gottesdienste, bei denen viele Menschen im Kirchenschiff zusammenkommen, ist sie zu raumfüllend und starr. Man räumt die Bank dann an die Seite, damit die Menschen sich bewegen und aufeinander zugehen können. Sie ist stumm. Könnte ihr Holz sprechen, würde es von den Menschen erzählen, die sich auf ihr niedergelassen haben. Von ihren Stimmen, ihrer Kleidung, ihrem Geruch, ihrer Haltung, Hautfarbe, Körpergestalt, von ihren Sorgen, Nöten, Ängsten, ihrer Wut, ihrer Trauer, ihrer Freude, ihrem Hadern, ihren Wünschen an die Welt und Gott, ihrem Frust und von ihren Hoffnungen.  Von Menschen, die ihr enttäuscht und verletzt den Rücken kehren und von Menschen, die auf ihr Ruhe finden. Von Kindern, die sich quengelnd auf der Kniebank mit einem Spielzeug die Zeit vertreiben. Von Menschen, die aus Routine auf ihr sitzen, aber eigentlich in Gedanken ganz woanders sind. Von Menschen, die sich in konzentrierter Haltung dem Gebet widmen. Früher auch im Sonntagsstaat. Von Menschen, die zwischen Büro, Shopping und Heimfahrt auf ihr Pause machen. Von Menschen, die auf ihr sitzen und Konzerten lauschen. Von Menschen, die eine letzte Hoffnung auf die Kniebank tragen. Von Menschen, die mit Kamera und Guide im Kulturraum Kirche unterwegs sind.  Von Menschen, die müde sind und auf ihr schlafen, weil sie kein eigenes Bett haben.  Mittlerweile ist sie als opulente Dame aus dem 18. Jhd. auch auf Ebay zu finden und kann von Umzügen in schicke Wohnhausdielen oder trendige Kneipen berichten.

Da wo sie jedoch überwiegend steht, in Kirchenräumen, langweilt sie sich vermutlich zu Tode, weil aus bekannten Gründen immer weniger kommen, um auf ihr Platz zu nehmen. Ein Möbel zwischen Halte-und Einkehrplatz, Keller, Museum, ebay, und Altmöbellager. Bereit für einen Platz an der frischen Luft.

Margit Umbach