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Warten auf Erlösung

Der Sommertag ist sonnig bis heiss und verlockt zum Aufenthalt am Wasser, einer Wanderung zwischen schattigen Bäumen mit schönen Ausblicken. Auf nach Maria Laach – einem besonderen Ort mit einer Benediktinerabtei an einem großen See, einer Klosteranlage mit großem Gewächshaus, Kunsthandwerk, einer atemberaubenden Bibliothek, einem schicken Restaurant und einem schönem Klosterladen.  Hier gehen Spiritualität und Natur Hand in Hand mit touristischer Wuseligkeit, die sich nicht aufdrängt. Nach zwei Stunden haben wir auf einem schattigen Waldweg den See umrundet, sind an blubbernden Wasserstellen vorbeigekommen, schönen Sitzplätzen, Obstbäumen und Kuhwiesen. Nach einem Kaffee und dem obligatorischen Rundgang auf dem Klostergelände geht es in die Abteikirche. An der Decke im Chorraum prangt das beeindruckende und imposante Mosaikbild „Christus der Weltenerlöser“. Zu ihm beten die Mönche für den Frieden in der Welt.

Ich mäandere durch das Halbdunkel des Kirchenraumes, bis es mich hin zu einer Seitenwand zieht, wo ich auf einen erschöpften, ratlosen und verprügelten Jesus treffe. Hinter ihm ein blass graublauer Himmel. Sein Gesicht und das linke Auge sind geschwollen, das rechte Auge weit und schmerzhaft geöffnet. Es hat in die Abgründe menschlischer Existenz geblickt. Mit den Händen bedeckt er seine Blöße. Irgendjemand hat ihm notdürftig einen Umhang um die Schultern gelegt. Der Kopf scheint zu schmerzen, als würden ihn tausend Dornen durchbohren. An den Beinen Hämatome. Vielleicht hat jemand versucht, seine Beine zu brechen. Den Kopf fragend zur Seite geneigt… „Was in aller Welt ist mir passiert??? Warum habt ihr mir das angetan???“

„Steig doch von deinem Kreuz runter wenn Du Gottes Sohn bist“….

So wie Jesus dort auf einer Bank sitzt, scheint es, als hätte er es knapp vor seinem Tod vom Kreuz runter geschafft. Und als sei er seitdem irgendwo bei uns auf einer Bank entkräftet sitzengeblieben, anstatt himmelwärts zu entschweben.  Wartend darauf, dass sich hier endlich was ändert, nachdem er alles in die Waagschale geworfen hat und seine Peiniger ihn nicht tot bekommen haben.

Er tut mir leid, wie er dort sitzt. „Aber es ist doch nur ein Bild,“ denke ich. Und doch, es rührt mich an. Gerade weil der Mensch auf dem Bild symbolisch für all jene steht, die wie er – verprügelt und verhöhnt von Krieg, Gewalt, Verfolgung, Vergewaltigung und Folter – während einer Feuerpause verzweifelt darauf warten, dass sich ihre Zeit zum Guten wendet. Der Mönch, Künstler und Sozialarbeiter Lukas Ruegenberg hat einen Jesus gezeichnet, der ihnen ein Gesicht gibt, in dem sich die Erschöpfung und die Verletzungen, die von unserer Zeit ausgehen, bündeln. Ein stiller Moment auf einer Bank, eine kleine Pause – ein abgekämpfter Mensch auf der Suche nach Erlösung und Heilung. Nach Frieden. Ich möchte den geschundenen Weltenerlöser in den Arm nehmen und trösten. Ihm sagen, dass ich mich schäme, dass wir ihm nichts besseres anbieten als einen kratzigen Mantel und eine harte Bank.  

Text: Margit Umbach

Bild: Gemälde von Lukas Ruegenberg in der Benediktiner Abteikirche Maria Laach

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https://www.maria-laach.de/kuenstlerbrueder