Letzte Woche traf ich Jesus in einer gemeinnützigen Einrichtung. Ich hatte nicht damit gerechnet, ihn in einer Abstellkammer zwischen Santa Claus in rot-weissem Nickiplüsch, alten Möbeln, Pappkisten und einer Lage alter, schwarzer Gebetbücher mit Goldschnitt zu finden; in einem Raum, der vor Jahrzehnten zunächst Dorfdisko war, dann zur Kapelle und schließlich zur Rumpelkammer mutierte. Der schöne, sterbende Mensch am großen Kreuz füllte den Platz ganz und gar aus und sprang mich an wie ein Gastgeber, der sich inmitten von Leid und häuslicher Unordnung über unerwarteten und seltenen Besuch freut. Um ihn herum gruppierte sich Überflüssiges, wenig oder noch Brauchbares, Kitschiges sowie das sichtlich „Zu-Entsorgende“ wie in einem zufälligen Stillleben, über das sich das weiche Licht des ausgehenden Sommertages breitete. Die protzigen, silbernen Laternen, die das Kreuz auf eine aufdringliche Art herrisch flankierten, hätte ich am liebsten gleich zum Sperrmüll gebracht. Sie wollten nicht zu Licht und Szenerie passen.
Auf einer Bank draußen vor dem Raum saßen Geflüchtete. Ihre Kinder spielten friedlich in der Abendsonne. An der Eingangstür zum Abstellraum ein Trümmerstein vom Kölner Dom aus dem Bombenhagel des zweiten Weltkrieges.
JHWH: ICH BIN DA.Ich bin der,der ich bin. Im Dornbusch, in der Rumpelkammer und draußen vor der Tür.
Margit Umbach
Foto: privat