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Let it roll

Ich hätte nie geglaubt, dass eine alte Kirchenbank so viele Reaktionen auslöst. Wenn wir die Bank auf ihren Rollen durch die Innenstadt schieben, lächeln viele Passanten, halten uns vielleicht für verrückt oder finden es zumindest ungewöhnlich, mit einer Kirchenbank durch die Straßen zu ziehen. Manche schauen neugierig oder fragen ganz direkt, was das soll. Manche packen auch mit an. Gerade am Anfang, als die Bank noch keine festen Rollen hatte, ist sie öfters mal vom Rollbrett gerutscht, weil wir sie nur provisorisch befestigt hatten und nicht wussten, wie wir es besser machen könnten. Wenn das passierte, half die Polizei auch manchmal mit, wenn sie in der Nähe war. Dabei ergaben sich mitunter Gespräche, in denen schöne und belastende Erfahrungen mit Kirche thematisiert wurden.

Als wir die Bank letzte Woche vom Elisengarten zum Hof rollten, lachte ein Mann laut los und rief: „Die haben ja den Beichtstuhl geklaut!“ Darüber haben wir dann herzlich gelacht, vor allem, als wir das ein zweites Mal von einer Gruppe Männer aus einem Kölner Karnevalsverein zu hören bekamen, die an einer Stadtführung teilnahmen. Mittlerweile mag ich unsere Bank, sie ist sperrig, hat ein paar Macken und wer weiß, wie lange sie noch hält. Aber sie bewegt sich, ist mittendrin und immer da, wenn mal jemand stehen bleibt und etwas sagen möchte. Sie trägt unser Gästebuch, in das immer mal wieder jemand reinschreibt – vor allem nach längeren Gesprächen. Wenn wir neben unserer Kirchenbank stehen, dann sind wir meistens froh und zuversichtlich, gespannt, was wohl kommen mag und werden fast immer positiv überrascht. Selbst, wenn wir mal nicht einer Meinung sind, führen die Gespräche auf beiden Seiten zum Nachdenken. Und so bleibt immer etwas da – eine Begegnung, ein Satz, ein Lächeln – und schmückt unsere Bank, so dass ich sie jedes Mal mit neuen Augen sehe. Gestartet ist das Projekt der mobilen Kirchenbank erst einmal nur mit der Kirchenbank als Symbol, Symbol für eine Kirche, die an die frische Luft geht. Und jetzt wundert es mich doch, was passiert, wenn ein Symbol kein Symbol bleibt, sondern Wirklichkeit wird, lebt und sich bewegt, auch wenn das manchmal ganz schön umständlich und anstrengend ist. All das lässt mich zuversichtlich sein, zuversichtlicher als vorher, als unsere Kirchenbank noch drinnen stand und keine Rollen hatte.

Yasmin Raimundo
Photo: Thomas Yates on unsplash