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Zwischen Flieder und Camembert

Wenn man mich fragt: „Welcher der fünf Sinne ist der Wichtigste?“ – dann kann ich darauf nicht antworten. Jeder unserer Sinne öffnet uns die Welt und ich bin dankbar, dass sie alle mehr oder weniger gut bei mir funktionieren.

Beim Geruchssinn heißt es ja, dass er bei uns Menschen am längsten funktioniert. Auch wenn sich am Ende des Lebens fast alles verabschiedet – riechen soll man wohl noch können. Es lohnt sich also, unsere Nase etwas zu trainieren.

Ich habe in den wunderschönen Frühsommertagen mal versucht, bewusster Gerüche wahr zu nehmen. Faszinierend, wie unterschiedlich z.B. die Blumen in unserem Garten riechen; gar nicht immer so angenehm, aber sehr individuell.

 Noch faszinierender finde ich, was wir für Assoziationen mit manchen Gerüchen verbinden. Wenn ich beispielsweise an Flieder rieche, denke ich jedes Mal an mein erstes Parfum und an Franchipani in Aachen, wo ich es vor Jahrzehnten erstanden habe. Auch wenn irgendwo Räucherstäbchen brennen fühl ich mich sofort in die Zeit von Hippieröcken und Kirschtee zurückversetzt.

Sonnencreme hat auch so eine Wirkung: Sie auf der Haut zu riechen lässt Urlaubsbilder im Kopf entstehen und weckt Sehnsucht und Vorfreude.

Vor kurzem bekam ich ein Duschgel geschenkt und als ich es das erste Mal benutzte war ich verdutzt und musste erstmal überlegen, wohin mich der Geruch mitnimmt. Es riecht wie ein bestimmter Aufguss in der Carolustherme und jetzt ist jedes Duschen wie ein kleiner, entspannter Ausflug dorthin.

Eine sehr spezielle Verbindung im Kopf habe ich, wenn ich die Dose mit dem überreifen Camembert meines Mannes öffne. Der Geruch versetzt mich auf die Fähre von Kiel nach Göteborg. Vor langer Zeit wollten unsere Kinder dort ins Bällebad; davor standen unzählige Kinderschuhe und der dort herrschende Schweißgeruh gepaart mit den Schiffsbewegungen sind unvergessen. Daher schwanke ich beim stinkendem Käse zwischen Übelkeit und Schweden-Vorfreude.

Heißer Asphalt nach einem Regenguss, das Öffnen einer Popcorntüte, der Hähnchenwagen auf dem Supermarktparkplatz : es gibt unzählige intensive Geruchserlebnisse. Das geht Ihnen sicherlich genauso.

Es lohnt sich, sie noch einmal bewusster zu erleben und die jetzt wieder häufigeren maskenfreien Momente dafür zu nutzen.

Übrigens: Heckenrosen riechen nach Apfelkompott – finden Sie nicht auch?

Andrea Pohlen